Gibt es eine Chance für das Glas?
Aus der Studioglas-Zeitschrift Glashaus 3/2010
Glas am Scheideweg?
Traditionelles Können, gepaart mit der kreativen Energie auch gegen den Strom der Zeit Neues zu schaffen – diese Kombination überlieferter Kompetenzen und innovativen Muts findet sich quer durch die Glasgeschichte: Mit ihr entwickelten böhmische Glasleute der Barockzeit in der verwüsteten Landschaft des Dreißigjährigen Kriegs die Technologie und Ästhetik des Glasschnitts und ließen das Glasveredler- und Glashandelszentrum um Haida/Nový Bor aufblühen; und ähnlich gelang 2009 in derselben Glasregion ein neuer Aufschwung gegen die Rezession, mit Kreativkräften wie Petr Novotný und František Janák und unter Einbezug der internationalen Studioglasszene.
Oder das Beispiel der Glashütte Theresienthal: 1836 wurde sie als eine frühe bayerische Aktiengesellschaft gegründet, um mit raffinierten Luxusgläsern auf den Zug der Industrialisierung aufzuspringen – mit demselben Konzept, das ab 2004 nach zwei Insolvenzen das „Wunder von Theresienthal“ ermöglichte, scheinbar gegen jede wirtschaftliche Vernunft und Wahrscheinlichkeit, aber mit zähem persönlichen Einsatz der Belegschaft und weniger Enthusiasten.
Diese und andere „Glaswunder“ ließen sich Anfang Mai die Präsidiumsmitglieder des Bayerischen Landtags in der Dauerausstellung des Glasmuseum Frauenau vor Augen führen. Hintergrund des Besuchs waren die mit rücksichtslosem Kalkül durchgezogenen Schließungen der Traditionsglashütten in Spiegelau und Riedlhütte; in der Diskussion nach der Führung hörten die Politiker auch von ratlosen Riedlhüttler Glasmachern und –schleifern, denen Konzepte und Existenzgründungshilfe fehlen, um irgendwie weiter Glas machen zu können, oder von Theresienthaler Problemen Lehrlinge zu gewinnen in einer öffentlichen Stimmung, die den Glasmanufakturen jede Zukunft abspricht. Versprochen wurden schließlich die nötigen „Rahmenbedingungen“, um nicht jetzt das Praxiswissen der Glasleute zu verschleudern, sondern als Chance nutzbar zu machen. Nachdem ein Jahr lang zwischen Region und Regierung die Zuständigkeit für Lösungsansätze in der „Glaskrise“ hin- und hergeschoben wurde, könnte die Politik nun also doch in Bewegung gekommen sein: Nur wenige Tage später luden die Regierung von Niederbayern und die regionale Wirtschaftsförderstelle Glasfirmen und experten in die Glasfachschule Zwiesel zur Diskussion einer Projektplattform „Netzwerk Glas“ ein, die ab Oktober die firmenübergreifende Zusammenarbeit für hochwertige Produktentwicklung und internationale Vermarktung fördern soll. Auch um die Mitwirkung von Glaskünstlern wurde lebhaft geworben.
Deren Skepsis, und mehr noch die der arbeitslosen Glasmacher ist nachvollziehbar. Entziehen sie sich jedoch jetzt diesen Weichenstellungen, könnten sie den endgültigen Niedergang nicht nur des ostbayerischen Glases als „self-fulfilling prophecies“ mit besiegeln. Nie zuvor haben die Glasbetriebe eine Überwindung ihrer Konkurrenzen auch nur anvisiert – nun sollten sie beim Wort genommen werden. Nun muss beharrlich darauf gepocht werden, dass die Produktions- und Gestaltungsvielfalt des Glases gemeinsam genutzt wird, und dass nicht nur Glaskünstler, sondern auch die Glasarbeiter und –handwerker vor Ort eingebunden werden, weil ihre Kompetenzen unverzichtbar und nicht rückholbar sind. Dabei müssen wir alle uns von der kurzsichtigen Arroganz lösen, die den Niedergang der Glasmanufakturen unter neoliberalen Vorzeichen als unvermeidlich und des Jammerns nicht wert abtut. Können wir den Glauben an die Innovationskraft des Glases wiedergewinnen, wollen wir diese aktiv einfordern?
„But think again“, schreibt Milly Frances im letzten Newsletter der britischen Contemporary Glass Society eben dies der Glaskunstszene ins Gewissen: “Wir sind nichts anders als Produkte der Vergangenheit, und als Glasmacher sind wir einem besonderen beruflichen Erbe verpflichtet. In Zeiten der Rezession ist vielleicht der beste Weg nach vorn der reflektierende Blick rückwärts, um Verluste abzuschätzen und unserer Industrie Ehrerbietung zu erweisen, bevor wir uns mit einer zeitgemäßen Vision neu für die Zukunft formieren.“
(Glass Network 36, Juni 2010)
Katharina Eisch-Angus
Lesen Sie in aktueller Fassung die Forderungen "Für einen Glaspakt mit dem Glas!" --> bitte anklicken: Konzept-Glaspakt (pdf, 84 KB)
Glas am Scheideweg?
Traditionelles Können, gepaart mit der kreativen Energie auch gegen den Strom der Zeit Neues zu schaffen – diese Kombination überlieferter Kompetenzen und innovativen Muts findet sich quer durch die Glasgeschichte: Mit ihr entwickelten böhmische Glasleute der Barockzeit in der verwüsteten Landschaft des Dreißigjährigen Kriegs die Technologie und Ästhetik des Glasschnitts und ließen das Glasveredler- und Glashandelszentrum um Haida/Nový Bor aufblühen; und ähnlich gelang 2009 in derselben Glasregion ein neuer Aufschwung gegen die Rezession, mit Kreativkräften wie Petr Novotný und František Janák und unter Einbezug der internationalen Studioglasszene.
Oder das Beispiel der Glashütte Theresienthal: 1836 wurde sie als eine frühe bayerische Aktiengesellschaft gegründet, um mit raffinierten Luxusgläsern auf den Zug der Industrialisierung aufzuspringen – mit demselben Konzept, das ab 2004 nach zwei Insolvenzen das „Wunder von Theresienthal“ ermöglichte, scheinbar gegen jede wirtschaftliche Vernunft und Wahrscheinlichkeit, aber mit zähem persönlichen Einsatz der Belegschaft und weniger Enthusiasten.
Diese und andere „Glaswunder“ ließen sich Anfang Mai die Präsidiumsmitglieder des Bayerischen Landtags in der Dauerausstellung des Glasmuseum Frauenau vor Augen führen. Hintergrund des Besuchs waren die mit rücksichtslosem Kalkül durchgezogenen Schließungen der Traditionsglashütten in Spiegelau und Riedlhütte; in der Diskussion nach der Führung hörten die Politiker auch von ratlosen Riedlhüttler Glasmachern und –schleifern, denen Konzepte und Existenzgründungshilfe fehlen, um irgendwie weiter Glas machen zu können, oder von Theresienthaler Problemen Lehrlinge zu gewinnen in einer öffentlichen Stimmung, die den Glasmanufakturen jede Zukunft abspricht. Versprochen wurden schließlich die nötigen „Rahmenbedingungen“, um nicht jetzt das Praxiswissen der Glasleute zu verschleudern, sondern als Chance nutzbar zu machen. Nachdem ein Jahr lang zwischen Region und Regierung die Zuständigkeit für Lösungsansätze in der „Glaskrise“ hin- und hergeschoben wurde, könnte die Politik nun also doch in Bewegung gekommen sein: Nur wenige Tage später luden die Regierung von Niederbayern und die regionale Wirtschaftsförderstelle Glasfirmen und experten in die Glasfachschule Zwiesel zur Diskussion einer Projektplattform „Netzwerk Glas“ ein, die ab Oktober die firmenübergreifende Zusammenarbeit für hochwertige Produktentwicklung und internationale Vermarktung fördern soll. Auch um die Mitwirkung von Glaskünstlern wurde lebhaft geworben.

„But think again“, schreibt Milly Frances im letzten Newsletter der britischen Contemporary Glass Society eben dies der Glaskunstszene ins Gewissen: “Wir sind nichts anders als Produkte der Vergangenheit, und als Glasmacher sind wir einem besonderen beruflichen Erbe verpflichtet. In Zeiten der Rezession ist vielleicht der beste Weg nach vorn der reflektierende Blick rückwärts, um Verluste abzuschätzen und unserer Industrie Ehrerbietung zu erweisen, bevor wir uns mit einer zeitgemäßen Vision neu für die Zukunft formieren.“
(Glass Network 36, Juni 2010)
Katharina Eisch-Angus
Lesen Sie in aktueller Fassung die Forderungen "Für einen Glaspakt mit dem Glas!" --> bitte anklicken: Konzept-Glaspakt (pdf, 84 KB)
Bordredaktion - 2010-09-06 17:31